Schweizer Wohnimmobilien mit Inflation konfrontiert
Einleitung: Die Inflation ist zurück
Nach mehr als 30 Jahren niedriger Inflation stieg sie Ende 2021 stark an. Die fiskalischen Unterstützungsmaßnahmen zur Abmilderung der Folgen der Pandemie haben den weltweiten Verbrauch stark angekurbelt. Gleichzeitig führten die Eindämmungsmaßnahmen, insbesondere in China mit der Null-COVID-Politik, zu Unterbrechungen in den Lieferketten. Der Krieg in der Ukraine hat diese Störungen noch verschärft, da er zu einem Anstieg der Preise für Energie und viele Rohstoffe geführt hat [1]. Um diesem Preisanstieg entgegenzuwirken, haben die Zentralbanken eine radikale Wende vollzogen und eine restriktive Geldpolitik eingeführt. Die Schweizerische Nationalbank (SNB) hat ihren Leitzins in diesem Jahr bereits zweimal erhöht, zunächst im Juni von -0,75 % auf -0,25 % und dann im September auf 0,25 %. Weitere Erhöhungen werden für das Jahr 2023 erwartet. Diese Rückkehr der Zinsen in den positiven Bereich markiert einen Paradigmenwechsel für den Schweizer Immobilienmarkt.
Mechanismen zum Schutz vor Inflation
In der Publikation «Talking Points» vom Juni 2022 weist UBS Asset Management darauf hin, dass Immobilien neben ihrem materiellen Charakter durch zwei Mechanismen einen langfristigen Inflationsschutz bieten:
a. Die Entwicklung der Grundstücks- und Immobilienpreise
In den letzten fünfzig Jahren haben sich die nominalen Immobilienpreise fast verfünffacht, während sich das allgemeine Preisniveau für Konsumgüter verdreifacht hat. Stein war also ein guter Schutz gegen die Erosion der Kaufkraft [2].
b. Einkünfte aus dem Sektor, der durch die Anpassung der Mieteinnahmen Schutz bietet
Diese Anpassung der Mieteinnahmen ist jedoch in Bezug auf Zeitpunkt und Umfang oft unvollkommen. Dennoch trägt sie zur Widerstandsfähigkeit dieser Anlageklasse in Zeiten der Inflation bei. Konkret können bis zu 40 % der Veränderung des Verbraucherpreisindexes an die Wohnungsmieter weitergegeben und die Mieten im Falle eines Mieterwechsels an das Marktniveau angepasst werden [3]. Gleichzeitig darf jedoch die Kaufkraft der Haushalte nicht ausgehöhlt werden und die Leerstandsquote darf nicht hoch sein, da in diesem Fall der Mieter als Reaktion auf die Erhöhung die Wohnung wechseln könnte [4].
Allerdings steigen die Immobilienpreise nicht unbedingt mit jedem Inflationsschub. Änderungen der Zinssätze haben oft einen größeren Einfluss auf die Preise, und Zeiten hoher Inflation gehen in der Regel mit einem Anstieg der Zinssätze einher, was sich wiederum auf die Immobilienpreise auswirkt [5].
Solidität des Schweizer Immobilienmarktes
In einer im September veröffentlichten Analyse [6] unterstreicht CBRE die grössere Widerstandsfähigkeit des Schweizer Immobilienmarktes im Vergleich zu den wichtigsten ausländischen Märkten und hebt fünf Faktoren hervor:
- Die Inflation ist in der Schweiz viel niedriger (3,5 % im August über zwölf Monate) als in Europa (9,1 %) oder den Vereinigten Staaten (8,3 %), was es den Immobilien erleichtern dürfte, ihre Schutzfunktion zumindest teilweise zu erfüllen.
- Der Anstieg der Renditen zehnjähriger Anleihen in der Schweizerischen Eidgenossenschaft (rund 1,5 % über ein Jahr) ist geringer als in Frankreich, Deutschland oder den Vereinigten Staaten (rund 2,20 % bis 2,50 %). Die Risikoprämie für Immobilien in der Schweiz würde daher durch den Anstieg der Anleihezinsen weniger beeinträchtigt.
- Die Verschuldung auf dem Schweizer Immobilienmarkt ist im Allgemeinen niedrig, was ihn weniger anfällig für einen Aufwärtsschock der Leitzinsen macht.
- Die Exposition des Schweizer Immobilienmarktes gegenüber ausländischem Kapital (ca. 10-15%) ist deutlich geringer als in Europa (ca. 40%) und beschränkt sich im Rahmen des LFAIE auf Gewerbeimmobilien, wodurch Schwankungen in Krisenzeiten begrenzt werden.
- Die Fundamentaldaten des Schweizer Immobilienmarktes sind günstiger als in Europa. Der Wohnungssektor weist die niedrigste Leerstandsquote in Europa und die höchste Mieterquote auf, was in Verbindung mit der anhaltenden Nachfrage seine Rolle als sicherer Hafen stärkt. UBS rechnet sogar mit einem weiteren Rückgang der Leerstandsquote und einem weiteren Mietwachstum im Jahr 2022 aufgrund des robusten Absorptionspotenzials, das durch die Zuwanderung, die Verlangsamung der Planung von neuen Wohnimmobilien und die steigenden Bau- und Finanzierungskosten unterstützt wird [7].
Schlussfolgerung
Nach einer aussergewöhnlichen Phase der Euphorie, die vor allem auf einem Negativzinsumfeld beruhte, das massive Kapitalzuflüsse in Immobilien begünstigte, dürfte der Schweizer Immobilienmarkt in eine Phase der Normalisierung eintreten. Das seit Jahren bestehende Ungleichgewicht zwischen Käufern und Verkäufern (zugunsten der Letzteren) wird nun wieder ausgeglichen [8], und der Markt wird somit in den kommenden Jahren zahlreiche Chancen für Immobilieninvestoren bieten.
[1] Credit Suisse AG, Investment Solutions & Sustainability | Real Estate Monitor Schweiz | Juni 2022 | Immobilienmarkt unter neuen Vorzeichen
[2] Le Nouvelliste, 10. Mai 2022 | Warum Immobilien vor Inflation schützen. Die UBS-Immobilienkolumne
[3] UBS Asset Management | UBS Talking Points | Eine neue Ära? Schweizer Immobilien in einem inflationären Umfeld – Juni 2022
[4] Le Nouvelliste, 10. Mai 2022 | Warum Immobilien vor der Inflation schützen. Die UBS-Immobilienchronik
[5] ebd.
[6] CBRE Research, CBRE Schweiz | September 2022 | Der Schweizer Immobilienmarkt sucht nach einem neuen Gleichgewicht
[7] UBS Asset Management | UBS Talking Points | Eine neue Ära? Schweizer Immobilien in einem inflationären Umfeld – Juni 2022
[8] CBRE Research, CBRE Schweiz | September 2022 | Der Schweizer Immobilienmarkt sucht ein neues Gleichgewicht